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Hohenzollern gehen vor Gericht gegen Historiker vor

Im gegenwärtigen Streit um die Entschädigungsforderungen der Hohenzollern geht die Familie weiterhin gegen Historikerinnen und Historiker vor, die sich kritisch mit der Geschichte des Hauses auseinandersetzen – und bringt einen Abzug ihrer Leihgaben aus öffentlichen Museen ins Spiel. Nun hat das Landgericht Berlin seine einstweilige Verfügung gegen den Historiker bestätigt. Für die SPD-Fraktion im Bundestag steht dennoch fest: ein offener Diskurs ist unabdingbar, wir müssen frei über die Rolle der Familie im Nationalsozialismus diskutieren können, sagt Helge Lindh.

„Es kann nicht gänzlich verhindert werden, dass die Hohenzollern ihre Leihgaben aus den Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz abziehen. Die Berliner und die Brandenburger Einrichtungen, in denen zur Zeit ein Großteil der Streitobjekte lagern, haben in der Vergangenheit eine zentrale Rolle in der Vermittlung und Auseinandersetzung mit der preußischen Geschichte übernommen – ein Abzug wichtiger Kunstwerke wäre besonders aus Gesichtspunkten der kritischen Auseinandersetzung zu bedauern. In dieser Form ist eine offene Diskussion über die historische Rolle der Hohenzollern im Nationalsozialismus schwierig.

Über die Frage, ob die Hohenzollern dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet haben, gibt es in der Wissenschaft einen breiten Konsens. Viele Zeithistorikerinnen und Zeithistoriker sehen eine besondere Verantwortung bei dem Kronprinzen Wilhelm von Preußen und seinem Bruder August Wilhelm. Dass die Hohenzollern seit einiger Zeit rechtlich gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgehen, die sich kritisch mit der Geschichte der Familie im Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben, verhindert einen öffentlichen Diskurs über der Verantwortung des Hauses und gefährdet die Wissenschaftsfreiheit. Das aktuelle Verfahren vor dem Landgericht Berlin gegen den Historiker Winfried Süß vom Potsdamer Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung ist dabei nur eines unter vielen, mit dem sich die Hohenzollern gegen eine offene Debattenkultur stellen. Der Konflikt und eine plurale Vergegenwärtigung der Vergangenheit ist für die demokratische Kultur jedoch konstitutiv.

Zukünftige Verhandlungen müssen öffentlich nachvollziehbar sein und aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden können. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Es darf keinen Vergleich geben, der die Frage der historisch-politischen Verantwortung der Hohenzollern ausklammert und darüber nicht in den offenen Diskurs geht. Aus diesem Grund unterstützen wir auch, dass weitere rechtliche Schritte gegen das Urteil eingelegt werden sollen.“

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