Vor 30 Jahren: Erster offizieller Besuch eines israelischen Staatsoberhauptes in der Bundesrepublik Deutschland
Es war kein einfacher Besuch für Chaim Herzog. Als erster israelischer Präsident kam er im April 1987 zum Staatsbesuch nach Deutschland. Unter anderem stand ein Besuch in Bergen-Belsen auf dem Programm. Herzog war 1945 als junger Soldat der britischen Armee dabei gewesen, als das KZ befreit wurde. Das unvorstellbare Grauen, dem er dort begegnete, hatte sich bei Herzog tief eingebrannt. Die Nazi-Verbrechen zu vergeben und zu vergessen, beschrieb er denn auch als unmöglich. Sein Besuch, der für ihn auch ein „offenkundiger Beweis für das Scheitern der Nazis“ war, stellte gleichwohl einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen dar.
Herzogs damaliger Gastgeber, Richard von Weizsäcker war im Oktober 1985 als erster deutscher Bundespräsident nach Israel gekommen. Einige Monate zuvor hatte seine große Rede vom 8. Mai 1985, in der er der jüdischen Opfer des Holocaust gedachte und das angebliche Unwissen der deutschen Zeitgenossen darüber in Frage stellte, viel Aufmerksamkeit in Israel eingebracht. Herzog und von Weizsäcker schätzten und verstanden sich – von Weizsäcker, der in der Wehrmacht gekämpft hatte und dessen Vater in den Kriegsverbrecherprozessen von Nürnberg zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und Herzog, der ehemalige jüdische Soldat in der britischen Armee.
Dem ersten Besuch eines israelischen Staatspräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland war eine lange und schwierige Geschichte der politischen Annäherung vorausgegangen. Dabei können wir als Sozialdemokraten uns durchaus mit Stolz einmal ins Gedächtnis rufen, welch tragende Rolle die SPD bei dieser Annäherung spielte. Bereits kurz nach dem Krieg, auf dem SPD-Parteitag am 29. Juni 1947, brach Kurt Schumacher das verschämte Schweigen der deutschen Politik zum Thema Juden und brachte Deutschlands moralische und materielle Verantwortung zur Aufarbeitung, Wiedergutmachung und Entschädigung auf den Punkt. In der CDU tat man sich schwerer mit dem Thema Entschädigung, doch schließlich kam es zu Verhandlungen mit der israelischen Seite. Bundeskanzler Adenauer hatte jedoch in der eigenen Regierungskoalition nicht genügend Stimmen, um das 1952 unterzeichnete Luxemburger Abkommen über Zahlungen an den Staat Israel und die Jewish Claims Conference durch den Bundestag zu bringen. Dies gelang ihm nur dank der geschlossenen Zustimmung der oppositionellen SPD-Fraktion. Auch in der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen waren die SPD und in hohem Maße auch der DGB treibende Kräfte. Die Regierung Adenauer, von der Hallstein-Doktrin außenpolitisch beengt, kam der israelischen Aufforderung von 1957 zur Normalisierung der Beziehungen durch Botschafteraustausch zunächst nicht nach, dazu kam es erst acht Jahre später. Währenddessen sprach der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer 1957 als erster Deutscher öffentlich in Israel. Und 1973 war schließlich Willy Brandt der erste deutsche Bundeskanzler, der offiziell Israel besuchte. Er prägte den Satz „Unsere normalen Beziehungen haben den Charakter des Besonderen.“
Heute, da man auf den Straßen in Berlin auf Schritt und Tritt Hebräisch hört und ein israelischer Minister Nazi-Vergleiche gegenüber dem heutigen Deutschland ablehnt, können wir im Grunde nur darüber staunen, dass die Versöhnung und Annäherung mit Israel noch von derjenigen Generation, die den Krieg und den Holocaust selbst erlebt hatte, so weit vorangebracht werden konnte. Deutschland wurde einer der engsten Verbündeten Israels. Dies beinhaltet sowohl das zivilgesellschaftliche und zwischenmenschliche Engagement, politische Kontakte, das deutsche Agieren im Hinblick auf Israels Sicherheit im internationalen Rahmen, auch Rüstungslieferungen und einen intensiven diplomatischen Einsatz zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konfliktes.
Einfach ist das Verhältnis beider Länder allerdings auch heute nicht. In der Tat macht Israel es seinen Freunden auch nicht immer leicht: Wir erleben seit Jahren eine zunehmende Entfremdung in Bezug auf die israelische Politik gegenüber den Palästinensern. Die von Deutschland und dem Großteil der internationalen Gemeinschaft favorisierte Zwei-Staaten-Lösung rückt in weite Ferne. In EU und UN dominieren oft die israel-kritischen Töne. Das historisch-moralische Verantwortungsgefühl gegenüber Israel als jüdischem Staat wird unter den jüngeren Deutschen offenbar schwächer. In Teilen des linken politischen Spektrums gehört Israel-Kritik zum guten Ton.
In vielerlei Hinsicht ist Kritik an der konkreten israelischen Regierungspolitik auch vollkommen berechtigt. Doch bisweilen wundere ich mich doch über den schäumenden Eifer, mit dem der israelische Staat als systematisch Menschenrechte verletzendes Apartheidsregime dargestellt wird, das es zu sanktionieren und zu boykottieren gilt. Wer die Welt schwarz-weiß sieht, macht es sich zu leicht. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist dafür ein Paradebeispiel. Unsere politische Beziehung zu Israel heute in erster Linie über Israels Konflikt mit den Palästinensern zu definieren wäre ebenso falsch, wie Israel aus einem historisch bedingten schlechten Gewissen heraus alles nachzusehen oder wie die einseitige Parteinahme für die palästinensische Seite ohne tieferes Verständnis der jüdischen und israelischen Geschichte, die von ständiger und existenzieller äußerer Bedrohung durchzogen ist. Die Existenz Israels und die Tatsache der wieder möglich gewordenen Freundschaft zwischen den Völkern ist ein Schatz, den es zu hüten gilt. Freundschaft und Solidarität auf der einen lassen sich durchaus mit Offenheit und berechtigter Kritik auf der anderen Seite vereinen. Wir tun also gut daran, weiter mit unseren israelischen Freunden im engen Gespräch zu bleiben.