Das Zeitalter der Atomkraft endet – das Erbe bleibt
15 Jahre nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages zum Atomausstieg am 01.02.2002
von Dr. Barbara Hendricks
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Im Juni 2000, knapp 40 Jahre nachdem der erste kommerzielle Kernreaktor seinen Betrieb aufgenommen hatte, gelang es der von Gerhard Schröder geführten rot-grünen Bundesregierung, mit den Energieversorgungsunternehmen das Ende der Atomenergienutzung zu vereinbaren. Die Unternehmen erkannten damit an, dass die Bundesregierung die Risiken der Atomenergie neu bewertete. Die Regierung sagte umgekehrt der Industrie zu, bis zum Zeitpunkt der Beendigung den geordneten Betrieb zu gewährleisten – vorausgesetzt, die Sicherheitsanforderungen werden eingehalten. Heute vor 15 Jahren, am 1. Februar 2002, konnte das Atomausstiegsgesetz schließlich in Kraft treten.
Leider unternahm die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2010 den Versuch, das Rad der Geschichte gegen den überwältigenden Mehrheitswillen der Bürgerinnen und Bürger wieder zurückzudrehen. Doch die furchtbare Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 zwang auch die letzten Verfechter einer angeblich beherrschbaren Risikotechnologie zum Umdenken. Spätestens seit Fukushima ist der Ausstieg aus der der Kernenergie gesamtgesellschaftlicher Konsens in Deutschland. Und spätestens 2022 müssen alle Atomkraftwerke in Deutschland endgültig abgeschaltet sein.
Die Nutzung der Atomenergie war ein folgenschwerer doppelter Irrweg. Zum einen sollte das sogenannte „Restrisiko“ in fataler Weise unterschätzt werden. Trotz aller Anstrengungen, die Gefahren zu minimieren, konnten Katastrophen gewaltigen Ausmaßes wie in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima nicht verhindert werden. Zum anderen führte der nukleare Irrweg dazu, dass wir gerade einmal 40 Jahre von der Nutzung der Atomenergie wirtschaftlich profitiert haben, den nachfolgenden Generationen aber ein strahlendes Erbe hinterlassen, das noch für Jahrtausende extrem gefährlich ist, weit über unsere Lebensspanne hinaus.
Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie ist unsere Arbeit deshalb noch lange nicht getan. Das Risiko von Unfällen muss bis zum letzten Betriebstag der AKWs auf ein Minimum reduziert bleiben. In den vergangenen dreißig Jahren haben Bund und Länder dafür gesorgt, dass die deutschen Atomkraftwerke ein hohes Sicherheitsniveau haben. Diese erfolgreichen Anstrengungen müssen wir konsequent bis zum Ende fortführen. Wir müssen für die gleiche Sicherheit sorgen, wenn die Meiler stillgelegt und zurückgebaut werden.
Wir haben in dieser Legislaturperiode viel erreicht, um unserer Verantwortung für das nukleare Erbe gerecht zu werden. Von der Endlager-Kommission über das Standort-Auswahlgesetz, die Unterstützung des Sarkophagbaus in Tschernobyl bis hin zum neuen Strahlenschutzgesetz. Und wir haben verlässliche Grundlagen für eine kritische Diskussion über Fragen der nuklearen Sicherheit mit Nachbarstaaten wie Belgien geschaffen, die die Atomenergie weiter nutzen.