Kerstin Griese_Reichstag_2013

10 Jahre Reformen am Arbeitsmarkt – „Hartz IV“

Kerstin Griese_Reichstag_2013von Kerstin Griese MdB

Zum 1. Januar 2005 sind die „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ in Kraft getreten, die oft auf den Begriff „Hartz IV“ verkürzt werden. Was die SPD in heiße Diskussionen trieb und von den einen bis heute bekämpft wird, wird von anderen als Inbegriff eines aktivierenden Sozialstaates verteidigt. Zur sachlichen Einschätzung lohnt ein Blick zehn Jahre zurück: Deutschland war der „kranke Mann Europas“, die Situation am Arbeitsmarkt war mit 5,3 Millionen Arbeitslosen, darunter 1,7 Millionen Langzeitarbeitslosen, sehr angespannt. Die Arbeitsämter waren mehr mit der Verwaltung der Arbeitslosigkeit als mit Vermittlung in Arbeit beschäftigt. Die Menschen in Sozialhilfe erhielten keinerlei Weiterbildung, Unterstützung oder Vermittlung, um aus ihrer Situation heraus zu kommen.

In dieser Situation beschloss die rotgrüne Bundestagsmehrheit „Hartz I bis IV“, die Reformen am Arbeitsmarkt. Herzstück war die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II. Ziel war es, viel mehr Menschen die Chance zu geben, in Arbeit vermittelt zu werden, um ihr Leben selbstständig gestalten zu können. Das war notwendig und im Grundsatz richtig. Heute haben wir zwar immer noch 2,9 Millionen Arbeitslose, darunter etwa eine Million Langzeitarbeitslose. Aber die Arbeitslosigkeit sinkt und viel mehr Menschen haben aktivierende Maßnahmen erhalten. Der Staat kümmert sich.

Aber es gab auch Fehler. Niemand ahnte vor zehn Jahren, dass Arbeitgeber unser Sozialsystem so ausnutzen würden, dass sie mit Dumpinglöhnen Menschen zu „Aufstockern“ machen. Deshalb war es richtig und notwendig, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Es ist der SPD und den Gewerkschaften zu verdanken, dass er seit dem 1.1.2015 gilt.

Dass Leiharbeit nicht nur in Ausnahmesituationen eingesetzt wird, sondern als eine Maßnahme der Unternehmen zum Lohndrücken ausgenutzt wurde, braucht ebenfalls eine gesetzliche Antwort. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zurück zu führen, auf 18 Monate zu begrenzen und nach 9 Monaten gleichen Lohn für gleiche Arbeit gesetzlich festzulegen. Und noch ein Punkt muss dringend geregelt werden, denn zunehmend werden Werkverträge als Instrument genutzt, um reguläre Arbeitsverhältnisse zu umgehen. Und wir werden einige bürokratische Hürden vereinfachen, die Sanktionen so verändern, dass Unter-25-Jährige nicht schlechter behandelt werden als Über-25-Jährige und wollen die Sanktion abschaffen, die Kosten der Unterkunft zu streichen, um damit Obdachlosigkeit vorzubeugen.

Besonders wichtig bleibt die bessere Förderung Langzeitarbeitsloser. Dafür hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ein differenziertes Programm vorgelegt, um besonders Menschen mit Kindern, solchen mit gesundheitlichen Problemen und bislang besonders schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen eine neue Chance durch intensive Betreuung und Unterstützung zu geben.

Mein Fazit: Die Grundidee der Reform war richtig, sie hat den Arbeitsmarkt dynamisiert und geholfen, mehr Menschen in Arbeit zu bringen – eine ursozialdemokratische Forderung. In der Umsetzung wurde das Gleichgewicht von „Fördern und Fordern“ nicht immer gewahrt, für viele Menschen hat das Fordern überhand genommen. Dass Menschen, die lange gearbeitet haben, schon nach einem Jahr staatliche Leistungen in gleicher Höhe erhalten wie solche, die vorher nicht in Arbeit waren, hat das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen verletzt. Kurt Beck war es, der hier eine Änderung durchgesetzt hat.

Die Herausforderung bleibt: allen Menschen eine Chance zu geben – auch immer wieder eine neue Chance – in Arbeit zu kommen und gleichzeitig solche, die Probleme haben, auf dem Weg dorthin schrittweise zu unterstützen. Für die SPD bleibt die Forderung, dass dafür ein sozialer Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderter Beschäftigung nötig ist.

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